Verein

Begonnen hat alles am 11. Mai 1984 mit einem Treffen von singbegeisterten Leuten in der Stauferhalle in Bad Wimpfen. Neugierig und eher skeptisch waren die meisten gekommen, denn so ganz genau wusste damals niemand, was man sich unter „Folklorechor“ vorzustellen hatte. Aber Julius Würz, der damalige Leiter des Gemischten Chors und Initiator des Treffens, wusste sehr genau, was er wollte. Er schilderte seine Pläne, verdeutlichte sie durch ausgewählte Musikbeispiele von einer Kassette, und sehr schnell wurde klar, dass dies ein Chor werden würde, der nicht viel mit traditionellen Gesangvereinen gemeinsam hätte. Der Funke der Begeisterung sprang über, und die meisten der zunächst nur Neugierigen erschienen zur ersten Probe.

 

Den Plan, einen Folklorechor zu gründen, hatte Julius Würz schon 1983, als er Dirigent des Volkschors wurde. In der ersten Hauptversammlung nach seiner Amtsübernahme sagte er, dass er mit vielen unterschiedlichen Gruppierungen mit und ohne Instrumente musizieren und in seine Projekte Jung und Alt einbinden wolle. „Ein bunter Strauss von Melodien ist mir zu wenig“, sagte er und gründete nicht nur den Folklorechor sondern auch noch den VC-Jugendchor, die Tanzgruppe und zusammen mit Bernhard Huck die Instrumentalgruppe „Weißdorn“.

 

Der Folklorechor, dem heute nach mehr als 25 Jahren immer noch Gründungsmitglieder angehören, wurde zu einer munteren und lebenslustigen Gemeinschaft. Herzlichkeit kennzeichnet auch heute noch die Atmosphäre im Chor, Toleranz den Umgang miteinander, und das „Du“ ist auch allen Neuen gegenüber selbstverständlich. Ungewöhnlich viele Sängerinnen und Sänger kamen und gingen im Laufe der Jahre, doch 20 bis 35  Folklorechor-Begeisterte hielten den Chor stets lebendig.

 

Im Herbst 1984 präsentierte sich der Folklorechor erstmals gemeinsam mit dem Gemischten Chor der Öffentlichkeit bei einem Konzert in der Alten Kelter in Bad Wimpfen. Die schönsten Stücke aus den Musicals „Anatevka“, „Hair“ und „My Fair Lady“ standen auf dem Programm und wurden im Playback-Verfahren zu vorgefertigter Profi-Orchestermusik gesungen. Es war ein aufregender Abend, denn Singen allein war ja nicht genug. Einige israelische Lieder, zu denen auch getanzt wurde, leiteten den Abend ein. Da es noch keine Tanzgruppe gab, tanzte der gesamte Folklorechor, natürlich in folkloristischer Kleidung. Für die jeweiligen Musicalteile waren entsprechende Kostüme anzuziehen, so dass man sich zwischen den Programmpunkten im wilden Durcheinander der winzigen Räume neben der Bühne blitzschnell umziehen musste.

 

Dieses Konzert setzte neue Maßstäbe für den gesamten Volkschor: nur auf der Bühne stehen und singen war „out“ Bewegung war angesagt,Tänze, Kostüme und ein bisschen Show.

 

Die nächsten Höhepunkte in der Geschichte des Folklorechors waren die von Julius Würz ins Leben gerufenen Aufführungen der „Lieder und Tänze des Mittelalters“, die alle zwei Jahre sämtliche VC-Gruppen auf Trab brachten. Konzerttitel wie „Chume, chum, geselle min“, „Du bist min, ich bin din“ und das berühmte Orffsche Werk „Carmina Burana“, das gemeinsam mit Orchester und Chor der Herrmann-Greiner Realschule, Neckarsulm, vier mal aufgeführt wurde, erinnern an Wettersorgen ( alle Mittelalterkonzerte waren Freilichtaufführungen am Roten Turm und im Hof der Herrmann-Greiner-Realschule), Kostümsorgen (selbst nähen, färben oder ausleihen), Techniksorgen (Mikrofonverteilung, Mischpultsteuerung), aber auch an unvergessliche Ereignisse, die, umrahmt von historischer Kulisse, Zuhörer und Mitwirkende gemeinsam in den Bann längst vergangener Zeiten zogen.

 

Zwischen diesen Großereignissenab es für den Folklorechor kaum ein Verschnaufen: beim Traubenblütenfest, bei der Unterländer Ausstellung und bei der spanischen Nacht in Heilbronn, auf dem Gaffenberg, in der Ballei in Neckarsulm, beim Kunstfestival in Hohenstadt und so nebenbei noch beim Fasching war er gefordert. Hinzu kamen Jahreskonzerte wie „Folklore-Festival“ im Kursaal mit deutscher, englischer, irischer und schottischer Musik und das „Spectacle Folklorique“, das im Kursaal und später in der französischen Partnerstadt Servian aufgeführt wurde.Kirchenkonzerte, Weihnachtskonzerte und spektakuläre Sonderkonzerte im Kursaal vervollständigen das Bild.

 

Ein außergewöhnliches Ereignis im Dasein des Folklorechors muss noch besonders erwähnt werden: die Aufführung der argentinischen Messe „Missa Criolla“ zusammen mit der argentinischen Musikgruppe „Nahual“. Da uns Mitteleuropäern südamerikanische Rhythmen nicht gerade im Blut liegen, musste der Folklorechor hier besonders fleißig proben. Aber mit tatkräftiger Unterstützung durch Nahual stellte sich bald das richtige Feeling ein, die Missa Criolla wurde zu einem unvergesslichen Erlebnis, und für Julius Würz ging ein Herzenswunsch in Erfüllung.

 

Ach ja, Servian: Erinnerungen werden wach an Campotel, Le Rex, Minerve, Cap d'Agde, Mt. St. Clair im Nebel, Fünf-Gänge-Menü, einen unvollendet gebliebenen Psalm, Tänze vor der Kirche und einen feucht-fröhlichen Jumelage-Abend im Campotel unter der Überschrift „Don't worry, be happy!“ . Diese Reise nach Servian gehört ebenso wie die Reisen in die ungarische Partnerstadt Sopron und nach Tschechien und Prag zu den unübertroffenen Höhepunkten des Vereinslebens.

 

Auftritte auf dem Marktplatz von Sopron, in einem malerischen Innenhof, in der Kirche, wo nochmals die Missa Criolla erklang, Schloss Esterhazy, das historische Eisenbahnmuseum, der hinreißend schöne Abend in einem ungarischen Besen zusammen mit Nahual und als besonderes Bonbon der Besuch des Musicals „Phantom der Oper“ im Wien waren 1992 die letzten großen Folklorechor-Unternehmungen mit Julius Würz als Chorleiter.